Bericht Ärtzezeitung: Der Rat "Mehr bewegen!" reicht nicht - öffentliche Diskussion erwünscht oder nicht - Tabuthema "Der Dicke und sein Leiden"
Hallo zusammen,
auf der Facebook-Seite von "Lymphnetzwerk" wurde der Beitrag der Ärztezeitung "Der Rat "Mehr bewegen!" reicht nicht" vom 03.04.2018 gepostet -> Link Der Rat "Mehr bewegen!" reicht nicht
Als Betroffener habe ich den natürlich gelesen. Und zu 100% stimme ich den Aussagen darin auch zu. Das Thema Fettleibigkeit / krankhafte Adipositas wird (wie in meinem Fall) entweder pauschalisiert oder dazu genutzt an mir oder über mich zu meckern und zu urteilen. Mach Sport, nehme ab, lass dich nicht so hängen und andere noch krassere Formulierungen konnte ich mir schon von Bekannten, Außenstehenden aber auch von Ärzten anhören.
Als Vorreiter in Sachen "ich habe keine Ahnung und will mich damit auch nicht beschäftigen" ist meine Hausärztin. Ich hatte schon immer mehr auf den Rippen.Obwohl ich mich in jüngeren Jahren aktiv bewegt habe, gesund gegessen habe, Fastfood und süßes Zeugs verweigert habe. Dennoch wurde ich immer dicker Und wenn ich dann mal krank war und zu meiner Ärztin musste, kamen immer wieder dieselben Sätze, vielleicht kennt das ja jemand.
-> "Na wie viel Gewicht haben wir zugelegt? Gesund ist das nicht mehr. Nehmen sie doch endlich mal ab. Weight Watchers hilft jeden, probieren sie es doch mal damit. Sie müssen sich mehr bewegen und lassen sie das Fastfood weg. Sie werden ja immer dicker, das ist ungesund, sie bewegen sich wohl zu wenig?" - Es gab noch mehr davon, aber wenn man das so immer wieder hört und beim nächsten Besuch schon im vornherein weiß, heute kommt wieder so ein Spruch, dann geht man echt mit dickem Hals und später dann ungern zum Arzt. So war es bei mir. Ich bin nur in wirklich wichtigen Situationen hingegangen. Einfach um solche Sätze nicht mehr hören zu müssen. Sowas deprimiert, schürt in einem einen gewissen Hass und gibt einem irgendwie auch das Gefühl ein Versager zu sein.
Man fragt nach Hilfe, nach Angeboten um seine Umstände besser in den Griff zu kriegen und zu hören bekommt man nichts weiter als ahnungslose Antworten.
Als dann aber ein Erysipel mich umgehauen hat, haben selbst meine Familienmitglieder gesagt, gleich ins Krankenhaus, deine Hausärztin hat keine Ahnung (auf meinem Profil steht woran ich alles leide, das erwähne ich jetzt nicht alles). Im Krankenhaus war dann das Ganze anders, mir so, in der Art, vollkommen unbekannt. Es gab ein sehr langes Gespräch mit einer Ernährungsberaterin, der Oberarzt hat mit mir ausführlich meine Probleme besprochen und sich Zeit genommen. Es geht also auch anders.Das war wirklich das erste Mal das ich mich verstanden gefühlt habe. Es wurde auch erstmals in Richtungen gedacht was ich nie für möglich gehalten hätte. Meine Schilddrüsenwerte wurden kontrolliert. Siehe da, da stimmt was nicht. Und ich wurde gefragt ob ich an eine OP gedacht hätte Magen Bypass / Verkleinerung / Magenband / Magenballon etc. Gehört hatte ich mal etwas davon, ja, aber nie in Erwägung gezogen. Der Arzt meinte auch, dass das Übergewicht viele Ursachen haben kann. Klar das wusste ich schon.
Und wer jetzt denkt warum hat er nicht den Hausarzt gewechselt? Das wollte ich. Da ich aber im ländlichen Raum wohne, gibt es nicht so viele Ärzte. Und da wo ich gefragt habe, die meinten sie wären alle voll. Und extra 15 oder mehr Kilometer fahren wenn ich krank bin wollte ich auch nicht. Aktuell kann ich gar nicht mehr fahren, wie soll ich dann also zum Hausarzt kommen? Darum geht es hier aber nicht, also weiter im Text.
So ich war also im Krankenhaus und ein Antrag auf Magen-OP wurde gestellt bei der Krankenkasse und noch während meines 4wöchigen Aufenthaltes gab es die Absage. Erst müssen konventionelle Therapiemaßnahmen erfolgen, also Sport, Ernährung umstellen, eben das ganze Programm. Ich war bei dieser Antwort echt fertig. Ich dachte zuerst die wollen mich verarschen, dann kamen Zweifel an mir selber und ich wurde nachdenklich. Die Selbstzweifel sind geblieben. Was soll ich noch alles machen? Soll ich nach Hamburg in die Krankenkassen-Zentrale fahren, persönlich vorsprechen, eventuell nur im Schlüppi erscheinen und um eine OP betteln?
Ich habe dann erst mal alles so hingenommen. Es ging mir aber mit meiner Entscheidung und auch körperlich immer schlechter. Sport ging nicht mehr, das Gewicht hält kein Sportgerät aus, mein Lymphödem macht Laufen und Fahrradfahren unmöglich. Aktuell habe ich eine offene Wunde am Bein, also ist Schwimmen auch nicht möglich, jo die Wohnung als Gefängnis, so sieht doch bei vielen die Realität aus. Pillchen und Wundermittel wirken nicht und allein die Essensumstellung reicht nicht.
Nun liest man diesen oben erwähnten Beitrag und sieht endlich eine Bewegung, die positiv ist. Aber es kommen auch Fragen dazu auf. Eigentlich habe ich meine Frage schon bei Facebook geschrieben. Aber da wird keiner Antworten liefern. Und in weiteren Kommentaren sieht man wieder diese einseitige Betrachtung des Krankenbildes und die öffentlichen Meinung zu Adipositas.
Meine Frage ist eigentlich leicht erklärt. Ein bisschen kenne ich mich ja nun aus. Ich lese aber immer wieder, dass nach einer Magen OP die verminderte Sekretion von Ghrelin einen positiven Effekt auf die Gewichtsabnahme hat. Wenn das Ghrelin so stark mit dem Abnehmen zusammenhängt, warum kann man es nicht einfach blockieren? Wozu ist Ghrelin überhaupt da? Würde es bestimmten Adipositas Patienten eventuell schon helfen, wenn man dieses Ghrelin manipuliert also das Sättigungsgefühl wieder normalisiert bzw. herstellt? Ein Allheilmittel gegen die krankhafte Adipositas gibt es nicht und wird es auch nie geben, das ist mir durchaus bekannt. Falls ein Arzt hier zum Thema mit liest und dementsprechende Fachkenntnisse hat, könnten Sie mir bitte meine Fragen beantworten?
Ich stelle mich auch gern als Versuchskaninchen zur Verfügung. Verlieren kann ich nichts mehr.
So viel Text für eine Frage. Aber das Thema ist noch lange nicht zu Ende. Eine gewisse Sensibilisierung in allen Schichten muss erfolgen. Viele Menschen sollten endlich umdenken, sich einfach einmal informieren. Das gilt bestimmt auch für einige Ärzte und Ärztinnen. In Deutschland wird doch so viel gesprochen, diskutiert und geforscht, aber das Tabuthema "Der Dicke und sein Leiden" bleibt auf der Strecke. Also ihr Dicken da draußen, solange es keine 100% Lösung für unser Problem gibt, steht zu euren Pfunden. Versteckt euch nicht und macht nicht den Fehler alles an euch ran kommen zu lassen.
Falls mein Thema im Forumbereich falsch ist, dann bitte entsprechend verschieben. Danke schön.
Grüße und schönes Wochenende noch.
Karsten Fritz
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Zitat"Ich bin erst gesund wenn eine handelsübliche Waage mein Gewicht erfassen kann, packen wir es an."